Fallbeispiel Tendinitis calcarea

Eine 46-jährige Patientin leidet seit 2 Tagen an akuten Schmerzen der linken Schulter. Lokal klagt sie über eine extreme Berührungs- und Druckempfindlichkeit, sie kann den Arm kaum noch bewegen. Im Ring- und Kleinfinger links besteht zudem ein Taubheitsgefühl. Die Schmerzen rauben ihr den Schlaf, und sie ist nicht mehr arbeitsfähig. Bei der Untersuchung findet sich vor der linken Schulter eine Überwärmung und Schwellung, die Bewegungen im Gelenk sind eingeschränkt und sehr schmerzhaft. Aufgrund der Symptomatik vermuten wir eine Tendinitis calcarea, d.h. eine Entzündung im Bereich der Supraspinatus-Sehne, die häufig zu Verkalkungen im umgebenden Gewebe führt. Wir machen ein Röntgenbild.

Abb 1: Linkes Schultergelenk der Patientin mit Verkalkungen im Bereich der Supraspinatussehne.

 

Mit der Checkliste der zuverlässigen Symptome (Arbeitsinstrumente) erfassen wir die polaren Symptome der Patientin:

> Stehen (P)

< Bewegung leidender Teile (P)


(P) = Polare Symptome

<    = Verschlimmerung

>    = Besserung

< Berührung (P)

< Druck (P)

> Kälte (P)

< Warmeinhüllen (P)

< Anstrengung körperlich (P)

< Heben des Gliedes (P)

< Sitzen (P)

Da die polaren Symptome (P) die wichtigsten Wegweiser zum passenden Arzneimittel sind, verwenden wir nur diese zur Repertorisation.

Die Patientensymptome liegen zwischen der blauen und roten Linie: Alle Grade innerhalb des grünen Ovals sind Argumente für das Arzneimittel. Die Gegenpole sind unterhalb der roten Linie aufgeführt: Alle Grade innerhalb des roten Ovals sind Argumente gegen das Arzneimittel. Die Differenz zwischen den beiden Summen (21-6=15), also die Polaritätsdifferenz, zeigt die Spezifität der Abdeckung der Patientensymptome an. Ledum hat eine herausragende Polaritätsdifferenz, und ist damit das wahrscheinlichste Mittel für die Patientin.

In Herings Guiding Symptoms finden wir bei Ledum folgende Symptome: Stiche in der Schulter beim Anheben des Arms. Schmerzhaftes Drücken im linken Schultergelenk, < durch Bewegung. Taubheit und Eingeschlafenheit der Glieder. Gespannte, harte Anschwellungen der betroffenen Gelenke, mit Kalkablagerungen (!). 

Viele dieser Empfindungen und Befunde haben wir gar nicht in die Repertorisation einbezogen. Die polaren Symptome führen ohnehin direkt zum bestpassendsten Mittel. Besonders erstaunlich ist in diesem Fall, dass auch die Kalkablagerungen von Hering erwähnt werden.

Die Patientin erhält eine Dosis Ledum C 200. In der folgenden Nacht schläft sie tief. Am nächsten Tag werden die Schmerzen wieder stärker. Ledum C 500 und M bessern je für 10 Tage. Weil die Wirkung von Einzeldosen zu kurz ist, wechseln wir zu Ledum Q-3, täglich. Nach vier Wochen beträgt die Besserung 80%. Mit weiteren Ledum Q-Potenzen über 6 Monate wird die Patientin völlig symptomfrei, und wir machen wieder eine Röntgenaufnahme.

Abb 2: Linke Schulter bei Abschluss der Behandlung. Die Verkalkungen sind abgeheilt.